Meine Reise nach Brasilien

Ein Reisebericht von Marius Ritzi (Vorstandsvorsitzender educare e.V.)

Meine Reise nach Brasilien

Ende September diesen Jahres hatte ich seit über zwei Jahren wieder die Möglichkeit unsere Freunde in Brasilien zu besuchen. Es war eine Reise, die für mich persönlich längst überfällig war. Die Corona-Zeit hat an den Kräften und Nerven gezehrt und hat den eigenen Blick immer enger werden lassen auf das, was beruflich und privat zu tun war.

Zurück in der Metropole

Mit der Landung in São Paulo stellte sich ein Gefühl der Erleichterung ein. Endlich wieder den Geruch dieser Metropole in der Nase!Das Leben, das tobt und allerlei Schönes und Trauriges mit sich bringt. Ich hatte das Privileg, mit eigenen Augen zu sehen, was sich in Brasilien getan hat und welchen Preis Corona von den Menschen gefordert hat.

Von vielen Reisen waren mir die Armut und die Not bekannt, die in manchen Teilen der Stadt herrschen. Aber niemals zuvor waren eben diese Armut und Not so groß wie in diesem Jahr. Die Obdachlosigkeit ist förmlich explodiert. Von einem kleinen Park in der Nähe unserer Arbeit war nichts mehr zu sehen, so viele Zelten und Baracken standen dort dicht an dicht.

Miserable Zustände

Im Gespräch mit den Kindern und Eltern wurde mir bewusst, dass zu den schlimmen Problemen, die die Familien sowieso schon zu bewältigen haben, nun auch noch echter Hunger hinzugekommen ist. Viele Kinder erhalten bei uns momentan die einzige ordentliche Mahlzeit am Tag, denn die Preise sind explodiert. Ein Liter einfache Milch kostet mittlerweile 1,10€, ein Liter “billiges” Sonnenblumenöl 3,50€. Die Familien haben kaum noch eine Chance, sich und ihre Kinder ausreichend zu ernähren. Der Staat zahlt zwar eine Nothilfe, die ca. 50€ pro Monat beträgt, aber das reicht nirgends hin. Wir versuchen, die größte Not mit Lebensmittelkarten abzumildern, wohlwissend, dass auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Die Bildung bleibt ebenfalls auf der Strecke. Zur Zeit meines Besuches starteten die öffentlichen Schulen gerade wieder in den Unterricht. Die Kinder wurden fast 1,5 Jahre nicht beschult. Man mag sich gar nicht vorstellen, welches Potenzial hier auf der Strecke bleibt.

Ein Zufluchtsort für die Kinder

Gegen all diese Entwicklungen stemmen wir uns mit aller Kraft und mit allem, was uns zur Verfügung steht. Wir haben unsere Türen fast durch die gesamte Pandemie offen gehalten, damit die Kinder wenigstens einen Zufluchtsort haben – auch vor der Gewalt, der sie zu Hause ausgesetzt sind. Ich habe in diesem Jahr Geschichten von Gewalterfahrungen der Kinder gehört, die mich zutiefst erschüttert haben und mich immer noch sehr beschäftigen. Wir haben die Kinder so gut es geht weiter beschult, damit sie nicht komplett abgehängt werden. Der Zulauf, den wir erleben. ist gewaltig. Mittlerweile kommen 180 Kinder zu uns.

Für eine hoffnungsvolle Zukunft

Bei alledem habe ich wieder sehen dürfen, wie wertvoll und wichtig unsere Arbeit ist. Dass es educare inmitten dieser Situation gibt, ist für die Kinder und die Familien ein echter Segen. Er gibt Sicherheit, wo sonst keine mehr existiert. Wir haben erlebt, dass Wunder geschehen. Dass Kinder trotz alledem aufblühen, ihr Potenzial entfalten und einen Weg einschlagen, der uns und ihnen Hoffnung macht auf eine Zukunft ohne Not, ohne Angst und ohne Gewalt. Dies ist den Mitarbeitern vor Ort zu verdanken, die sich mit ganzer Hingabe jedem Kind widmen. Da werden Wunden und Herzen verbunden. Da wird unterrichtet, gekocht und gegessen, zusammen gelacht und geweint. Vor allem aber wird gemeinsam ein Weg beschritten in eine hoffnungsvollere Zukunft.

Dank eurer Hilfe

Dies wäre auch nicht möglich ohne unseren Jugendlichen, die schon viele Jahre kommen und täglich bei unserer Arbeit mithelfen. Einen solchen Mut, ein solches Mitgefühl und eine solche Motivation den Kindern, die aus den gleichen Verhältnissen stammen wie sie selbst, ein besseres Leben zu ermöglichen, habe ich noch nie gesehen.

Dies ist aber auch maßgeblich euch zu verdanken. Den treuen Spendern, Unterstützern, Betern. Ihr habt unsere Arbeit beständig begleitet und es möglich gemacht, dass wir im Corona-Jahr niemals finanzielle Sorgen hatten und die immer größer werdende Kinderschar gut versorgen konnten. Ihr habt dazu beigetragen, dass viele Familien zu essen haben, die sonst nichts hätten, dass Kinderaugen leuchten, dass Hoffnung einkehrt dort, wo es schwer ist zu hoffen. Dass es einen Ort gibt, an dem Samen gesät werden, die aufgehen.

Dass wir all das tun können was wir dort tun, dass wir Wunder erleben dürfen, dafür sorgt ihr.

Ein herzliches Dankeschön reicht eigentlich nicht, um meine tief empfundene Dankbarkeit auszudrücken für all das, was ihr tut.

Dennoch: von ganzem Herzen herzlichsten Dank!

Euer Marius Ritzi

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