Ich denke an die Liebe und Zuneigung, die den Kindern bei uns widerfährt.

Reisebericht von Marius Ritzi

Denke ich an Sao Paulo, dann denke ich an eine unglaubliche Stadt. In jeder Hinsicht. Auf den ersten Blick scheint das Chaos dieser Metropole nicht zu überblicken. Aber nach und nach stellt man fest, dass diese Stadt doch sehr organisiert ist und alles irgendwie in einander greift. Auf ganz sonderbare Weise funktioniert dieser Organismus Sao Paulo.

 

Denke ich an Sao Paulo, dann denke ich an die vielen Gesichter der Stadt. Hübsche Viertel mit alten Villen, modernste neugebaute Viertel mit Wolkenkratzern in denen man sich spiegeln kann.

Ich denke an unser Viertel, dort wo unsere Arbeit stattfindet. An den Charme aus längst vergangenen Zeiten, der an manchen Ecken noch durchblitzt. Aber auch an den Dreck, den Gestank von menschlichen Fäkalien und das Elend um uns herum. Wo es doch nur einen kurzen Fußmarsch von zwanzig Minuten dauert und davon ist nichts mehr zu sehen.

Ich denke an die Menschen die mir begegnet sind auf meiner letzten Reise.

An den obdachlosen Mann der sich in einer Pfütze aus Regenwasser vom Vortag wäscht.

An die Kinder in unserem Projekt:

An den kleinen Jungen, drei Jahre alt, dessen Mutter ihn eigentlich nicht will, und er deshalb mit seinem größeren fünfzehnjährigen Bruder, bei uns im Gebäude lebt. Manchmal will ihn die Mutter aber doch. Und zwar immer dann, wenn sie betteln geht, das geht einfach besser mit einem süßen Kind auf dem Schoß.

Ich denke an ein neunjähriges Kind, das ich schon eine ganze Weile kenne. Der Vater ist bei einem Raubüberfall ums Leben gekommen, weil er auf der Flucht von einem Bus überfahren wurde. Wegen einem Handy. Jetzt lebt der Junge mit seinen beiden Geschwistern allein mit der alkoholkranken und drogensüchtigen Mutter. Immer wieder erzählen sie,  wie die Mutter im Rausch versucht sich durch einen Sprung aus dem Fenster umzubringen und die drei Geschwister sie dann gemeinsam festhalten müssen.

Ich denke an einen tollen jungen Mann mit 15 Jahren. Völlig verunsichert und schüchtern kam er das erste mal zu uns. Seine Eltern haben sich getrennt, weil er, als kleiner Junge, den Vater mit einer anderen Frau gesehen hat und die Mutter sich darauf hin von ihrem Mann trennte. Der Vater hat bis heute keinen Kontakt zu seinem Sohn, weil er ihn für die Trennung verantwortlich macht. Der neue Partner der Mutter ist gewalttätig gegenüber seiner Mutter und seinen Geschwistern. Und so plagen ihn furchtbare Schuldgefühle. Und er schafft es fast nicht eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.

Es gibt noch so viele Geschichten zu erzählen. Jedes Kind hat eine andere. Und jedes mal zerreißt es einem fast das Herz zu hören mit welchen Belastungen diese Kinder leben müssen.

Denke ich an Sao Paulo, dann denke ich auch die wunderbaren Menschen, die in unserem Projekt mitarbeiten. An Susi und Martinho, an Elo, GG, Renato, Hugo, Bruna und die vielen anderen, die für dieses Kinder da sind. Die Tränen trocknen und neuen Mut schenken. Die Mägen füllen und Lachen schenken. Die Selbstwert aufbauen und auf den Freizeiten manchmal ganze Nächte mit weinenden Kinder durchwachen. Die ein riesengroßes Herz haben.

Ich denke an die Liebe und Zuneigung, die den Kindern bei uns widerfährt.

Denke ich also an Sao Paulo, dann bin ich dankbar. Dankbar für diese Arbeit, dankbar für die Menschen, die sie tun, dankbar für die Kinder die sich bei uns öffnen und oft ganz neu aufblühen, dankbar dafür dass ich Teil davon sein darf und dankbar für die viele Unterstützung die wir für diese wichtige Aufgabe bekommen.

Euer Marius

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